You are currently viewing #5 Erfahrungsbericht You Part Projekt

#5 Erfahrungsbericht You Part Projekt

Erfahrungsbericht YouPart Projekt

„Du bist ja an Politik interessiert, oder?“ Ich hätte damals nicht gedacht, dass mich diese einzige Frage in weiterer Folge nicht nur nach Wien und Prag, sondern auch bis ins Europäische Parlament in Brüssel bringen würde. Gestellt hatte mir die Frage jemand vom Team meines Lieblings-Jugendzentrums, das ich bei Gelegenheit immer mal wieder besuche. Nachdem ich dann die Frage bejahte, wurde ich über ein Erasmus+ – Projekt informiert. Das Projekt, das den treffenden Namen „YouPart“ trug, stellte sich als Versuch heraus, Jugendlichen aus ganz Europa eine Stimme zu geben. Die Teenager und jungen Erwachsenen sollten hierbei Forderungen an die Europäische Union ausarbeiten, welche dann gegen Ende des Jahres in Brüssel präsentiert werden sollten. Eine Idee, die mich sofort faszinierte.

Das erste große Ereignis fand in Wien statt, wo sich erstmals nur Österreicher versammelten. Hier wurden wir besser über das Projekt aufgeklärt und wir wurden mit unseren Organisatoren vertraut. Ich war der Erste, der hier das Thema „Klimawandel“ einbrachte, wo ich vor allem Themen ansprach, welche sich mit Energie und Kraftwerken beschäftigte. Bei einem zweiten Treffen in Wien (wo dieses Mal Jugendliche aus ganz Europa vertreten waren), wurde dieses Thema auf „Environment“ ausgeweitet, also auf die Umwelt im Allgemeinen. Dies bot uns mehr Stoff, auf deren Grundlage wir unsere Forderungen aufstellen konnten. Das Ziel der zwei Treffen in Wien war es, ein paar grobe Bereiche zu finden, mit denen alle einverstanden waren. Und das ist wesentlich besser geglückt, als ich gedacht hätte: LGBTQ, Umwelt, Wirtschaft, Frauenrechte, Multi-Kulti und das Bildungssystem – all das sind Themen, die es wert sind, im Parlament behandelt zu werden.

Für mich war es eine Ehre, auch nach Prag eingeladen worden zu sein. Das gesamte Projekt wurde großzügigerweise von Erasmus+ finanziert. Per Bus fuhr ich mit einer weiteren Klagenfurterin nach Wien. Dort stießen die anderen Österreicher hinzu. Alles nette Leute, mit denen man sich super unterhalten konnte. Ich war ziemlich aufgeregt, als wir in Prag ausstiegen und ins Hotel eincheckten. Hier würde das Projekt in die nächste Runde gehen. Hier würden wir die konkreten Forderungen an die Europa-Politiker ausarbeiten, es wurde also ernst, dachte ich mir.
Dass sich diese Theorie bewahrheiten würde, merkte ich schnell, als ich die anderen Leute kennenlernte, die sich ebenfalls auf das Thema Umwelt fixiert hatten. Denn während ich beispielsweise der Atomkraft eher kritisch gegenüberstehe, gab es in meiner Gruppe zwei weitere Teilnehmer, die sogar in diese Energie investieren wollten. Meine schlimmste Befürchtung war, dass wir uns bei solch gegensätzlichen Meinungen niemals auf einen Entwurf einigen würden. Zu meiner Überraschung – und Erleichterung – lag ich falsch. Denn selten konnte ich eine derartig sachliche politische Diskussion führen wie an diesen Tagen in Prag. Die Diskussionen waren hitzig, keine Frage. Aber letztendlich verstanden wir uns super. Wir hörten einander zu, gingen auf die Punkte des Anderen ein und machten bei Unsicherheiten Faktenchecks mit ein bisschen Internet-Recherche. Hier gab es keinen „typisch Rechten“ und keinen „grünversifften Realitätsverweigerer“. Hier gab es junge Menschen, die dasselbe Ziel hatten, aber unterschiedliche Meinungen fürs Erreichen eben jenes Ziels. Diskussionen auf Augenhöhe und gegenseitiger Respekt vor anderen Denkweisen bestimmten die Gespräche. Und so einigten wir uns auf den Kompromiss, dass wir in Forschung für grüne Energiequellen investieren wollten. Kernkraftwerke sollten nicht weiter gefördert, aber am Leben gehalten werden, bis wir gute Alternativen gefunden haben. Es war nicht leicht, die anderen Teilnehmer von diesem Kompromiss zu überzeugen und doch waren wir alle letzten Endes damit zufrieden. Auch andere Umweltthemen wurden thematisiert, bei denen es aber bei Weitem nicht so viel Diskussionen gab, wie beim Atomstrom. Hier konnten wir ganz schnell Forderungen ausarbeiten, mit denen jeder zufrieden war. Natürlich besichtigten wir in dieser Zeit auch Prag und konnten als Touristen durch die Stadt bummeln. Den Aufenthalt in Tschechien genossen wir also in vollen Zügen. In nicht ganz so vollen Zügen nahmen wir schließlich auch wieder die Heimfahrt in Angriff.

Ein paar Wochen später wurde ich zu einem Zoom-Meeting eingeladen, wo unsere Gruppe die letzte Gelegenheit hatte, unsere Forderungen weiter auszuarbeiten. Wir formulierten unsere Anliegen etwas genauer und arbeiteten gemeinsam am finalen PDF-Dokument, welches in weiterer Folge ausgedruckt und jedem Teilnehmer zur Verfügung gestellt wurde. Unsere „Youth Demands“ waren fertiggestellt!

Der Höhepunkt des Projekts stand an: Die Fahrt nach Brüssel. Mir wurde angeboten, mit einer kleinen weiteren Teilnehmergruppe zwei Tage vor Projektstart bereits loszufahren. Dieses Angebot nahm ich gerne an. Und so fuhr ich in einem Nightjet etwas früher als zunächst geplant ins „Herz Europas“. Dort besuchten wir nicht nur Sehenswürdigkeiten wie das Atomium oder den „Manneken Pis“, sondern ließen uns auch belgische Waffeln schmecken. Sogar einen Schokoladen-Workshop besuchten wir!
Am Tag des offiziellen Projektstarts checkten wir in eine Jugendherberge ein, wo uns die meisten anderen Teilnehmer bereits erwarteten. Es folgte eine Erläuterung von unserem Projektplan und ein angenehmer Tag in der Stadt. Auch das Haus der europäischen Geschichte neben dem Parlament wurde von uns in dieser Zeit besucht. Weil aber der Tag unseres großen Auftritts im Parlament immer näher kam, bereiteten wir uns am nächsten Tag darauf vor. Unsere Forderungen wurden noch einmal besprochen, wir sprachen über unsere Präsentationen und hielten schließlich auch eine kleine Generalprobe vor den anderen Gruppen. Wir waren für unseren großen Tag also mehr als vorbereitet.

Und so machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg zum Europäischen Parlament, wo uns Parlamentarier und belgische Politiker erwarten würden. Natürlich waren wir entsprechend nervös, doch bei den Präsentationen, das will ich jetzt einfach mal recht narzisstisch behaupten, gaben wir uns sehr selbstsicher und professionell. Besonders gut fand ich, dass uns Möglichkeiten geboten wurden, auf die Reaktionen der Politiker einzugehen. So konnte ich beispielsweise in einer recht langen Antwort ein Missverständnis seitens des Politikers richtigstellen und speziell unsere Forderung bezüglich einer Energiewende genauer erklären. Ich war dennoch überrascht, als nach ein paar weiteren kurzen Reden die Verabschiedung folgte. Die zwei Stunden im Parlament hatten sich wie eine halbe angefühlt und ich hätte mir doch etwas mehr Zeit für Diskussionen gewünscht. Dennoch bin ich sehr zufrieden mit dem, was wir geleistet haben. Ich hatte sogar die Möglichkeit, mich noch kurz mit zwei der Parlamentarier zu unterhalten. Auch sie schienen sehr dankbar für unser Engagement und politisches Interesse gewesen zu sein. Es war ein großartiger Tag, den wir am Abend dann auch mit einer netten Party entsprechend zelebrierten.

Einen letzten Tag verbrachten wir noch in Brüssel, den wir ebenfalls auszunutzen wussten: Neben einem weiteren Stadtbesuch stand auch eine City Guide – Tour auf dem Programm. Am Abend gingen wir dann noch einmal gut essen und besuchten einen lebendigen Weihnachtsmarkt. Ein perfekter Abschluss für diese großartige Reise.
Am nächsten Tag fuhren wir bereits in der Früh los. Es war eine lange und anstrengende Rückfahrt, doch diese Strapazen waren es mir definitiv wert. Ich bin echt froh, einer von ganz wenigen Österreichern gewesen zu sein, die an diesem Projekt teilnehmen durften. Ich habe einige Erfahrungen auf diesem Projekt sammeln dürfen und kann es kaum erwarten, an zukünftigen Erasmus+ – Projekten teilzunehmen. Denn dieses wird wohl kaum mein letztes gewesen sein!

11.01.2023, Tobias Strasser-Knopper, Teilnehmer am YouPart Projekt von Südwind, Jugendzentrum Kwadrat, Klagenfurt.